Nokargida-Demonstration, Ansprache von Erhard Bechtold

Nokargida-Demonstration, Ansprache von Erhard Bechtold

Seit die Kargida, der Karlsruher Ableger der Pegida, mit ihren fremdenfeindlichen und damit menschenfeindlichen Parolen in unserer Stadt auftritt, ruft unsere Gesellschaft mit zu den Gegendemonstrationen der Nokargida auf.

Am 10. März waren wir erstmals mit unserem Banner vertreten und Erhard Bechtold, CIGK-Vorstandsmitglied und stellvertretender katholischer Dekan, hielt die folgende beachtenswerte Ansprache:

Ich stehe hier für die Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen in Karlsruhe. Ich stehe hier als Vertreter der Christlich-Islamischen Gesellschaft und der Christlich-Jüdischen Gesellschaft. Und ich stehe hier für die Religionsgemeinschaften in unserer Stadt

„Im Gehen entsteht der Weg“ – unter diesem Motto steht die Woche der Brüderlichkeit der Christlich-Jüdischen Gesellschaft in diesem Jahr. 1948 unter dem Eindruck der Nazibarbarei und des Holocaust gegründet, stehen da Christen und Juden zusammen.

Im Gehen entsteht der Weg; ja wir sind da mittlerweile fast 70 Jahre miteinander gegangen – mit guten Wegstationen und wir sind nicht am Ende.

Wir müssen auch heute gemeinsame Wege gehen und wir müssen dabei darauf achten, welche Richtung wir einschlagen, mit wem wir gehen.

Und das ist auch heute Abend hier in Karlsruhe nicht egal, welchen Weg wir gehen und mit wem.

Wir gehen den Weg der Demokratie, den Weg der Achtung jedes Menschen, den Weg der Toleranz und der Rechtstaatlichkeit – ja den Weg der Nächstenliebe.

Wir lassen uns weder von Rechtsradikalen noch von Linksradikalen in Irrwege führen, auch nicht in Sackgassen und in keinen Abgrund; denn nur dahin führen die Wege von Menschenverachtung, Hass und Intoleranz. Wir verabscheuen Gewalt.

Ich stehe hier für die Christen in unserer Stadt, die einen wesentlichen Teil der Zivilgesellschaft ausmachen und die ihre Stimme erheben für den Menschen und seine Würde; die Kirche ist nicht nur um ihrer selbst willen da – sie hat sich einzusetzen für alle Menschen, für Gerechtigkeit und Frieden

Sein vielleicht wichtigstes Schreiben als Papst hat Johannes XXIII vor über fünfzig Jahren veröffentlicht. Es trug den Titel „Pacem in terris“ – Frieden auf Erden und es war nicht nur gerichtet an die Kirche, sondern an alle Menschen guten Willens.

Und an die wende ich mich auch heute: an alle Menschen guten Willens!

Und solche Menschen finden sich in überall – in den Kirchen, in den Religionen, ob Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus und welche Religion auch immer – und bei all denen, die nicht an Gott glauben, aber ihrem Gewissen folgen – mit all denen zusammen wollen wir uns in dieser Stadt für ein gutes Umgehen miteinander, für Integration und Gerechtigkeit einsetzen, damit alle hier in Würde leben können.

Viel diskutiert und umstritten war der Garten der Religionen – machen wir diesen Garten zu einem Ort der Begegnung, des Feierns, des sich Kennenlernens und des Betens. Wir brauchen alle immer wieder die Besinnung, die Vergebung und den Blick füreinander; wir sind nicht nur gut – wir haben auch alle unserer Schattenseiten und wir brauchen den Dialog, das Gespräch. Um das Beste müssen wir ringen – der Wahrheit müssen wir uns annähern, niemand hat sie einfach für sich gepachtet.

Ich freue mich, in diesem Land leben zu dürfen, ich möchte in keinem Religionsstaat und in keinem Gottesstaat leben. Ich bin froh in einem Land zu leben, in dem Staat und Religion getrennt sind; ich bin froh, dass Staat und Kirche hier zusammenarbeiten und dass auch andere Religionsgemeinschaften ihren Platz haben und bekommen - zum Wohl aller.

Unser Grundgesetz und die Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Unsere freiheitliche Ordnung wollen und müssen wir erhalten – gegen jede Form von Extremismus und Intoleranz. Ich bin froh, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind und dass wir den Schutz der Polizei genießen dürfen. Für Ihren Einsatz danke ich – sie gehört zur Demokratie und ihren Einrichtungen!

Wir haben ein gutes Fundament – und dieses Fundament hat wunderbare Wertvorstellungen – besonders die Würde des Menschen; festgeschrieben im Grundgesetz, das ist wahr. Aber ohne ein tieferes Fundament wäre es weder zur Formulierung gekommen, noch kann es bleibend sicher sein.

Und zu diesem Fundament gehören zweifellos die Errungenschaften der Französischen Revolution und der badischen Revolution (nicht vergessen!) und die humanistischen Traditionen – Griechenland lässt grüßen!  Aber dazu gehört auch das christliche Erbe, das dieses Europa ausmacht und hervorgebracht hat. Manche Grundrechte, die doch jüdisch-christliche Wurzeln haben, mussten gegen Kirche durchgesetzt werden - was für eine Verkehrung;

Papst Franziskus steht heute gerade für die Menschenrechte ein – ja und Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht bei uns und überall auf der Welt.

Bald begehen wir die Wochen gegen Rassismus: Vielfalt willkommen heißen, heißt es da. Für Christen gibt es den Menschen – und besonders den, der Hilfe braucht - für den müssen wir uns einsetzen;

Für die Menschen guten Willens kann es keine Menschen erster und zweiter Klasse geben – wir gehören zusammen in der einen Welt als Gottes geliebte Kinder.

Herzlichen Dank!