Grün im Namen Allahs

Grün im Namen Allahs

Umweltliebe und Umweltschutz im Islam

Beim Mittwochstreff der Christlich-Islamischen Gesellschaft Karlsruhe am 4. Mai 2011 hielt der Dialogbeauftrag des DITIB-Moschee-Verbandes in Baden, Herr Fatih Sahan, einen Vortrag über die Liebe zur Schöpfung Gottes im Islam und der daraus folgenden Verantwortung für unsere Umwelt.

Ein Grundproblem des modernen Menschen ist das Umweltproblem. Denn es bedroht nicht nur seine Existenz sondern auch das Recht der zukünftigen Generationen an einem gesunden Ort leben zu dürfen. Damit ist es ein globales Problem. Der moderne Mensch, der bei der Wissenschaft und Technologie eine rasende Entwicklung geschaffen hat, konnte aber ein Ausgleich mit seiner Umwelt, also mit der Natur, nicht schaffen. Der Mensch hat sich selbst entfremdet, weil er selbst ein Teil der Natur ist.

Nach dem Islam wurde das ganze Universum von Gott erschaffen. Der Koran vertritt die Überzeugung, dass alle Gesandten und Propheten ein und denselben Gott verkünden. Allah/Gott ist nach koranischer Überzeugung identisch mit dem Gott der Thora und des Evangeliums.

„Debattiert mit den Schriftbesitzern nur auf die beste, weiseste Art, es sei denn, es geht um die Ungerechten unter ihnen. Sprecht: "Wir glauben an das, was uns und an das, was euch herabgesandt wurde. Unser und euer Gott ist Einer, Dem wir uns ergeben." (Sura, 29, 46)

Der Islam sieht den Menschen – wie monotheistische Religionen, insbesondere Judentum und Christentum - als Geschöpf Gottes“ und Statthalter Gottes auf Erden. Einheit Gottes zeigt sich auch in der Einheit der Natur. In diesem Sinne sind die Menschen als Staathalter Gottes auf die Bewahrung der Schöpfung von Gott verpflichtet. Für diese Verpflichtung werden die Menschen am jüngsten Tag zur Rechenschaft gezogen.

Damit haben drei Begriffe Schlüsselfunktion in Bezug auf die Beziehung des Menschen zu den Geschöpfen. Dies sind Einheit, Anvertrauen und Verantwortung.

Wenn man die Verse des Korans im Hinblick auf die Natur liest, sieht man, dass die Erde Ort des Friedens und Ort der Erholung ist. Damit macht der Koran uns auf die Natur und, was dort geschieht, aufmerksam.

Koranvers:

Gott hat euch ermöglicht, in euren Häusern gemütliche Wohnstätten zu schaffen und hat euch aus den Fellen des Herdenviehs Zelte bauen lassen, in denen ihr wohnen könnt, wenn ihr reist oder rastet. Aus der Wolle, den Fasern und den Haaren ließ Er euch Hausrat machen und Nutzen ziehen für eine bestimmte Zeit in eurem Leben auf Erden. (Sura 16, 80)

Gott ist es, Der sieben Himmel erschaffen hat (Sura, 65, 12)

„Die sieben Himmel und die Erde und all ihre Bewohner lobpreisen Ihn. Es gibt nichts, was Ihn nicht lobpreist, doch ihr versteht deren Lobpreisung nicht. Gott ist langmütig, und Er verzeiht den Reumütigen.“ (Sura 17, 44)

Nach der islamischen Lehre ist diese Welt ein Ort der Prüfung. Gott prüft die Menschen, in Seiner göttlichen Weisheit und mit Seinem Wissen, entsprechend dem, was Er ihnen gegeben hat. Er wird die Reichen dafür zur Rechenschaft ziehen, ob sie ihren Wohlstand auf rechtmäßige oder unrechtmäßige Art und Weise erworben haben, ob sie ihre Zakat entrichtet haben.

„Spendet von den Gaben, die Wir euch gewährt haben, bevor zu dem einen oder dem anderen von euch der Tod kommt und er sagen wird: "Mein Herr! Wenn Du mir nur einen kurzen Aufschub gewährtest, würde ich Spenden geben und mich unter die Rechtschaffenen reihen. Doch Gott gewährt keinem Aufschub, wenn die Zeit seines Todes kommt. Gott weiß alles, was ihr tut.“(Koran 63:10-11)

Andere Verse geben an, dass Gott alles, was sich auf Erden und im Himmel befindet, zum Gebrauch des Menschen geschaffen hat. Es versteht sich von selbst, dass der Mensch wissen muss, wie er das von Gott Geschaffene auf vernünftige Weise mit dem Blick auf die Zukunft nutzen kann.

Die Erde ist auch für die wechselseitigen Beziehungen wichtig. Die Menschen wurden aus zwei Elementen erschaffen; Erde und Wasser. Damit ist eine Entfremdung des Menschen gegenüber der Natur auch die Selbstentfremdung.

Der Mensch ist nicht der Herr oder Herrscher über diese Welt, sondern ein bescheidenes Mitglied dieser Welt. Was er als besondere Eigenschaften und Überlegenheit besitzt, sollte ihn nicht zu verantwortungslosem Verhalten führen, wie z. B. Zerstörung der natürlichen Quellen und Ausbeutung der natürlichen Quellen. Diese besonderen Eigenschaften des Menschen sollen ihn zu einem verantwortungsbewussten Leben führen. Jedes Geschöpf hat auf dieser Welt eine bestimmte Aufgabe.

„Wir erschufen die Himmel und die Erde und das, was dazwischen ist, nicht zum Spiel. Wir erschufen sie der Wahrheit gemäß, aber die meisten wissen es nicht. (Sura, 44, 38-39)

Wir haben alles nach Maß erschaffen. (Sura Kamer, 49)

Auf der moralischen Ebene lernen die Menschen, dass die Natur ein Ort ist, an dem man die Gnade und das Wohlgefallen Gottes erreichen kann. Dadurch kann bewiesen werden, dass der Mensch ein moralisches und wertvolles Wesen ist und sich auf der Welt entfalten kann.

Die Natur ist aber kein Grundbesitz des Menschen, sondern Gott ist der wahre Besitzer der Natur.

Darauf folgt, dass die Natur und die Naturgesetze so erschaffen sind, dass der Mensch eingreifen kann. Somit ist der Mensch in der Lage, bestimmte Veränderungen zu machen. Die Natur wurde dem Menschen zur Verfügung gestellt. Die Natur ist gehorsam gegenüber dem Menschen. Dabei sind die Menschen bei der Benutzung der Natur verpflichtet, moralisch zu handeln. Der Islam fordert die Menschen auf, die Natur zu erforschen, damit sie die Ordnung und die Schönheit in der Natur verstehen können. (Wissenschaft)

Die Welt wird nach dem Islam als Ort der Reinheit und Ort der Anbetung Gottes verstanden.

Gottes ist der Osten und der Westen. Wo immer ihr euch hinwendet, ist Gott gegenwärtig. Gott ist allumfassend und allwissend. (Sura 2, 115)

Gott umfasst alle Dinge. Nach dieser Ansicht wird unsere Umgebung von Gott umfasst, wir leben also in einer geistlichen Welt. Gott ist unsere wahre Umwelt. Die Umweltprobleme liegen daran, dass wir dieses Prinzip vergessen haben und dass wir die Natur ontologisch getrennt von dem Menschen denken. Überall Gott zu sehen, heißt, dass man dessen bewusst ist, dass sowohl die Natur als auch die materielle Welt von der göttlichen Umgebung umschlossen werden.

Wir werden ihnen Unsere Zeichen an allen Horizonten und in ihnen selbst zeigen, damit ihnen klar wird, dass (die dir herabgesandte Offenbarung) die Wahrheit ist. Genügt es nicht, dass dein Herr alles weiß und genauestens bezeugt?

In der Erschaffung der Himmel und der Erde, dem Wechsel von Tag und Nacht, den Schiffen, die die Meere mit Menschen und Gütern befahren, dem Wasser, das Gott vom Himmel herabsendet, um die tote Erde zu beleben, den verschiedenartigen Lebewesen, die die Erde bevölkern und den Winden, die ihre Ordnung haben, den Wolken, die zwischen Himmel und Erde schweben, in all diesem liegen Zeichen für Menschen, die sich des Verstandes bedienen. (Baqara, 164)

Aus diesen Gründen betrachteten die muslimischen Gelehrten die Natur als Buch des Universums, als ungeschriebene Offenbarung Gottes. Damit wird betont, so wie der Koran uns unseren Schöpfer erzählt, so erzählt auch das Universum uns unseren Schöpfer, unseren Herrn. Der Schutz und die Aufbewahrung dieses Buches wurde uns anvertraut, als Staathalter und Anvertrauter der Welt. Das Wesen des Menschen als Geschöpf Gottes ist also gekennzeichnet von einer direkten unmittelbaren Beziehung zu Gott. Der Mensch übernimmt die Verantwortung für die übrige Schöpfung. Er soll seine Mit-Schöpfung (Umwelt, besser: Mitwelt, zu der auch die himmlischen Wesen gehören) bewahren und nicht zerstören. In diesem Sinne wir der Mensch als Khalifa (Vertreter) Gottes charakterisiert.

Die ganze Natur kündet von Ihm. Alles verweist auf Seine Präsenz. Das arabische Wort Aya bedeutet zugleich „Koranvers“ und „Zeichen“. Ein Wort mit zwei verschiedenen Bedeutungen, so als wollte Gott uns zu verstehen geben, dass die Offenbarung des Koran ebenso Zeichen ist, wie die Zeichen der Natur Offenbarung sind, ein vor dem Blick und Verstand des Menschen aufgeschlagenes Buch. Es gibt also zwei Offenbarungen, die der Schöpfung und die der Prophetie.

Bei der Benutzung der Naturquellen soll der Mensch nicht verschwenderisch sein. Der Koran (und mit ihm der Islam) versteht die Natur als ein Buch, durch das und in dem sich Gott Selbst dem Menschen offenbart. Auch wenn der Koran nicht ausdrücklich betont, dass die Natur das Buch Gottes ist, enthält er doch viele Hinweise darauf, dass die Natur Teil der unermesslichen Werke Gottes ist.

Die Natur zu studieren, bedeutet also, das Buch Gottes zu studieren. Von denjenigen, die an den Koran glauben, wird erwartet, dass sie die Natur ‚lesen‘, damit sie Gott besser verstehen, Seine Schöpfung betrachten und einen Dialog mit Ihm führen können. Die Menschheit besitzt die Fähigkeit zu denken. Deshalb vermag sie zu erkennen, wie die Schönen Namen Gottes überall in der Natur widergespiegelt werden. Diese Idee findet sich auch in folgenden Koranversen wieder:

Wahrlich, in der Schöpfung der Himmel und der Erde und in dem Wechsel der Nacht und des Tages liegen wahre Zeichen für die Verständigen, die Allahs gedenken im Stehen und im Sitzen und (Liegen) auf ihren Seiten und über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken (und sagen): „Unser Herr, Du hast dieses nicht umsonst erschaffen. Gepriesen seist Du, darum hüte uns vor der Strafe des Feuers.“ (3:190-191)

Ihr wißt nur um die erste Schöpfung. Wollt ihr denn nicht nachdenken? Denkt ihr nicht über die Saat nach? Lasst ihr sie wachsen, oder sind Wir es, Die sie wachsen lassen? Wenn Wir wollten, könnten Wir sie verderben lassen, so dass ihr euch nur wundern würdet, (und ihr würdet sagen): "Wir tragen den Verlust und haben keine Versorgung mehr." Denkt ihr nicht über das Wasser nach, das ihr trinkt? Lasst ihr es aus den Wolken herabkommen, oder sind Wir es, Die es herabkommen lassen?

Der Islam weist auf diese Aspekte der geistlichen Bedeutung der Natur ständig hin. Danach erinnern die Verse uns daran, dass wir von Gott erschaffen sind und wieder zu Ihm zurückkehren. um Rechenschaft abzulegen.

Fitra ist die natürliche Ordnung der Dinge, sozusagen das, was es zu bewahren gilt. Tawhid bezeichnet die Einheit der Schöpfung, die Tatsache, dass alle Dinge miteinander in Beziehung stehen. Das Zweite Prinzip, was die Beziehung des Menschen zur Umwelt anbelangt, ist in der Aufgabe als Khalif vorhanden. Dem Menschen ist die Schöpfung anvertraut: er darf sie nutzen, aber nicht zerstören.

Das koranische Naturverständnis ermutigt uns, die Verantwortung für den Erhalt und das Wohlergehen unserer Umwelt zu tragen. Die Natur ist ein Buch Gottes. Deshalb verdient sie den größten Respekt. Der Koran fördert die Liebe zur Natur, denn die Natur resultiert aus der Liebe Gottes. Sie kann uns dabei helfen, die Wahrheit hinter den Dingen zu erkennen.

Dadurch, dass sie die Natur betrachten und sich die schönen Namen Gottes bewusst machen, erkennen gläubige Menschen Seine Zeichen und erfahren Seine Anwesenheit in ihrem Alltag. Durch die Natur werden sie auf die Kunstfertigkeit Gottes aufmerksam und lernen die Lektionen, die Er der Menschheit in Seiner Schöpfung erteilt.

Das Umweltproblem muss in einem interreligiösen und interkulturellen Dialog behandelt werden. Ein solcher Dialog kann die Gemeinsamkeit aller wichtigen Werte herausstellen. Er kann darüber hinaus herausarbeiten, wie diese Werte im jeweiligen Kontext der Kulturen verwirklicht werden. Auf diese Weise wird eine Zusammenarbeit für die Lösung dieser wichtigen Probleme möglich. Vor allem ein Dialog zwischen Islam und Europa ist nötig. Hierfür braucht Europa weitaus mehr Wissen über den Islam, und die Muslime benötigen dafür gründliche Kenntnisse der europäischen Kultur und Geschichte.