Scharia und Dekalog (10 Gebote) – Was bedeuten uns unsere religiösen Gesetze?

Scharia und Dekalog (10 Gebote) – Was bedeuten uns unsere religiösen Gesetze?

Beim Mittwochstreff der CIG Karlsruhe im April 2010 im Internationalen Begegnungszentrum Karlsruhe berichtet Frau Krumm: Das Thema Scharia wird in Gesellschaft immer wichtiger. Gerade kürzlich hörte sie von ihrem Bruder, der in einer Schweizer Bank arbeitet, dass dort intensiv über Geldanlagen gesprochen wird, die „sharia compliant“ sind.

Unsere Vorstandsmitglieder Herr Daoussi und Frau Krumm geben Einführungen ins Thema aus islamischer bzw. christlicher Sicht.

1. Hechmi Daoussi, Einführung aus islamischer Sicht

Das Thema ist sehr umfassend und nicht an einem Abend erschöpfend zu bearbeiten. Mit einem Fragenkatalog umreißt Hechmi Daoussi das Thema:

  • Was versteht man unter der Scharia?
  • Was fällt uns ein, wenn wir den begriff „Scharia“ hören? Schreckliches? Hand abhacken?
  • Der anglikanische Bischof Rowan Williams hat 2008 den Vorschlag gemacht: Wir können Teile der Scharia im britischen Gesetz verankern. Die öffentliche Reaktion war nur Entsetzen statt zu fragen, welche Teile der Scharia gemeint waren.
  • Ist das negative Bild, das die westlichen Gesellschaften von der Scharia haben, berechtigt?
  • Ist Scharia eine direkte Ableitung aus dem Koran?
  • Ist der Koran ein Gesetzbuch?
  • Ist die Scharia Ausdruck von Fundamentalismus?
  • Wo lässt sich die Kopftuchdebatte, das Fahrverbot für Frauen in Saudi Arabien, das Verbot für Frauen ein öffentliches Schwimmbad zu besuchen in der Scharia verorten?
  • Was hat „islamic banking“ mit der Scharia zu tun?
  • Gibt es im Islam eine Trennung von Staat und Religion?
  • Ist die Scharia frauenfeindlich (Kopftuch, Erbrecht)?
  • Streben Muslime, die im Westen leben, nach der Einführung der Scharia?

Im Islam umfasst die Scharia sämtliche Gebote und Verbote. Die Scharia bietet eine alle Lebensbereiche ordnende Regelung, denn die Scharia ist der Versuch der Normierung gottgewollter Lebensweise.

Muslimische Normen sind unterteilt in fünf Gruppen:

  1. Pflichten, was ein Muslim verbindlich machen muss
  2. was empfehlenswert und sehr erwünscht ist, aber nicht obligatorisch
  3. das Erlaubte
  4. was man unterlassen sollte, aber wenn man es macht, ist es nicht so schlimm
  5. das Verbotene

Die Sharia versucht zu entscheiden, was zu welchem Bereich gehört. Dazu benutzt sie folgende vier Quellen:

  • Koran
  • Sunna (sämtliche Aussagen und Handlungen des Propheten und Dinge, die der Prophet gesehen, aber nicht kommentiert hat und folglich nicht abscheulich findet)
  • Konsens aller Muslime
  • Analogieschluss aus Sunna und Koran

Darüber hinaus wird als mögliche Quelle der Sharia diskutiert – ohne dass darüber Konsens besteht: Alles worüber gar kein Koranregelung gibt: Am Anfang vor aller Religion war alles erlaubt.

Der Koran als Quelle der Scharia

500 von insgesamt 6500 Koranstellen behandeln Gesetzesregelungen. Ansonsten ist der Koran eher ein Buch mit Geschichten über den Glauben. Der Koran ist kein Gesetzbuch, kein Katalog von Verboten, aber 8 % des Korans behandeln Fragen, was man tun soll, zum Teil sehr präzise.

Die Sunna

Die zwei Kriterien für die Sunna, ob etwas verboten oder eine Pflicht ist, sind:

  • die Eindeutigkeit der Aussage des Propheten
  • die Glaubwürdigkeit der Überlieferungskette zurück zum Propheten.

In der Sunna unterscheidet man, ob die Worte eindeutig sind oder nicht. Damit aufgrund einer Aussage festgestellt werden kann, ob sie verpflichtend ist oder ein Verbot enthält, muss die Aussage eindeutig sein. Außerdem muss die Überlieferungskette zum Propheten eindeutig sein. Zur Beurteilung der Überlieferungskette gibt es die „Männerwissenschaft“: Alle Leute, die an der Überlieferung beteiligt waren, werden klassifiziert auf ihre Vertrauenswürdigkeit.

Wie verstehen Muslime Scharia?

Die Scharia ist unveränderbar die Normen betreffend, die auf eindeutige Nachweise zurückgehen, sie ist flexibel, wo keine eindeutige Normierung besteht.

Scharia ist allgemein gültig, sie ist anwendbar zu jeder Zeit in allen Gesellschaften.

Sie gibt Ideale vor und Orientierungshilfen für die Gesellschaft.

Ist Scharia reformierbar?

Da gibt es in westlichen Augen eine gewisse Sturheit der Muslime.

Menschen westlicher Prägung verstehen das Kopftuch als Unterdrückung der Frau. Aber es sind eher die Frauen, die daran festhalten – weil sie aus Koran oder Hadithen diese Pflicht verstehen – nicht, weil das Kopftuch Symbol der Unterdrückung oder Freiheit ist. Nichtmuslime fragen nicht nach Gottes Gebot und beurteilen so die vermeintliche gesellschaftliche oder soziale Funktion islamischer Regelungen. (Von Burka ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede, das Tragen der Burka ist Tradition aus der Golfregion, kein Hadith und kein Gebot des Korans. Wenn also in Frankreich die Burka verboten wird, ist das für viele Muslime kein Problem.)

In Bezug auf den Schwimmunterricht für Mädchen sagt die Scharia: Eine Frau muss ihren Körper bedecken.

Die Scharia ist überall reformierbar, wo Interpretation es zulässt und die Überlieferung nicht eindeutig ist. Daraus ergibt sich ein großer Interpretationsspielraum.

Hat die Sharia eine wirtschaftliche Komponente?

Ja beim Gebot der Zakat und beim Zinsverbot

Zakat ist eine Art Vermögenssteuer in Höhe von 2,5 % über das Vermögen, das einen bestimmten Freibetrag übersteigt. Das erklärte Ziel der Zakat ist, dass das Geld nicht nur bei den Reichen umläuft, sondern über alle Schichten

Zinsverbot:

Das Zinsverbot umfasst auch kurzfristigen Zinsen. Risikoreiche Geschäfte sind ebenfalls verboten.

Der Koran sagt: Wer Zinsen erhebt, wer den Lohn der anderen ausnutzt, führt mit Allah selbst Krieg. Koran regelt auch, wie man sich zu verhalten hat, wenn man schon Zinsvertrag geschlossen hat.

Wetten sind verboten. Ebenso verboten ist die Beteiligung an Glücksspiel, Alkohol- und Schweinefleischproduktion sowie Prostitution. Mit islamischen Banken hätte es die gegenwärtige Hypothekenkrise nicht gegeben.

Wie arbeitet eine islamische Bank? Eine islamische Bank kauft ein Haus ganz, der Kunde zahlt Raten. Am ersten Tag ist die Kaufsumme bekannt und dauerhaft festgelegt. Es ist nicht möglich, am Anfang der Rückzahlung eines Kredits vor allem Zinsen zahlen und später erst wird getilgt. Man zahlt zwar auch bei einem islamischen Kredit mehr zurück, als man bekommen hat, hat aber eine kontinuierliche gleichbleibende Tilgung.

Es gibt ein Hadith, das deutlich macht: Wenn wir Dinge kaufen und wieder verkaufen, müssen wir die Dinge erst vom Markt in ein Lager gebracht haben, bevor wir sie wieder verkaufen können. Der Kauf soll eindeutig sein (Man holt etwas auf dem Markt, bringt es dann ins Lager.) Spekulationsgeschäfte sind nicht erlaubt.

Fahrverbot für Frauen in Saudi Arabien: Das Fahrverbot besteht nur in Saudi Arabien. Das ist der Beleg dafür, dass es keine Scharia ist – sonst gäbe es das auch anderswo.

Es gibt bei der Beurteilung islamischer Regelungen verschiedene Rechtsschulen. Dabei sieht die in Saudi Arabien vorherrschende salafitische Interpretation Dinge oft enger – im Idealfall ist alles verboten, geschlossen etc.

Ulrike Krumm: Einführung aus christlicher Sicht

Der Blick auf das Thema ist ganz unterschiedlich, je nach dem, ob wir Menschen fragen, die in christlichem kulturellen Umfeld aufgewachsen sind oder aktive Christinnen und Christen. Wenn wir in Karlsruhe Menschen auf der Straße auf das Thema christliche religiöse Gebote ansprechen, werden wir vermutlich vor allem zwei Antworten erhalten:

Den meisten fallen die zehn Gebote ein. Dabei denken die Leute nicht daran, dass die zehn Gebote das jüdische Gesetz sind.

Viele Menschen werden dann noch unterscheiden zwischen „Altem Testament“ und „Neuem Testament. Das Alte Testament wird dabei mit „Gesetz“, das Neue Testament mit „Liebe“ gleichgesetzt. Im Alten Testament werde Gott als streng und richtend, im Neuen Testament werde Gott vor allem als Liebe gesehen. Bei solchen Urteilen sträuben sich christlichen Theologen die Haare, aber das Volk auf der Straße denkt noch so.

Vielleicht werden die Leute auf der Straße noch ein Drittes behaupten: „Die Katholischen sind strenger als die Evangelischen.“

„Dekalog“ heißt ursprünglich ganz wörtlich übersetzt „Zehn-Wort“. Kontext der zehn Gebote ist die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten. Ziel des Dekaloges, der Gebote ist es, Freiheit zu ermöglichen, nicht einzuengen. Es geht darum, die Freiheit, die Gott schenkt, zu erhalten.

Wenn man Gebote genauer anschaut, dann kann man zwei Teile unterscheiden – manchmal wird auch von den „zwei Tafeln“ der Gebote gesprochen: in den Geboten 1 bis 3 geht es um das Verhältnis zwischen Mensch und Gott: Keine anderen Götter, Namen Gottes nicht missbrauchen, Feiertag heiligen. In den Geboten 4 bis 10 geht es um das Verhältnis von Mensch zu Mensch.

Wenn man Leute fragt, welche der zehn Gebote ihnen spontan einfallen, dann werden meist zuerst genannt: nicht stehlen, nicht töten, nicht ehebrechen.

Die anderen Gebote beschreiben mehr eine Haltung als ein eindeutiges Verbot (nicht begehren – es geht nicht nur um ein bestimmtes Handeln, sondern etwas, was im Herzen beginnt. Ebenso beim Gebot „Vater und Mutter ehren“ – das bedeutet nicht unbedingten Gehorsam – es geht um Versorgung der Alten, Gebote sind ja an Erwachsene gerichtet. Die Begründung für das Elterngebot „auf dass es dir gut gehe“ zeigt, dass es darum geht, dass diejenigen, die das Gebot einhalten, auch darauf hoffen dürfen selbst einmal von ihren Kindern versorgt zu werden.

Die zehn Gebote sind nicht die ältesten Gebote in der hebräischen Bibel. Die ältesten Gebote stehen im „Bundesbuch“. Bei diesen ältesten Geboten handelt es sich vor allem um Sozialgesetzgebung. Diese Sozialgesetzgebung ist älter und grundlegender für die hebräische Bibel als alle Reinheitsgebote. (Diese Reinheitsgebote sind getragen von der Vorstellung Krankheit verunreinigt Menschen.)

Die Gebote der hebräischen Bibel umfassen die drei Bereiche: Sozialgesetze, Opfergesetze und Reinheitsgesetze

Der Dekalog besteht hauptsächlich Sozialgesetzgebung. Schon in der hebräischen Bibel, dem Alten Testament der Christen, besteht eine deutliche Tendenz zu sagen, dass nicht Opfer, sondern soziale Fragen vor Gott entscheidend sind. Dies wird vor allem von den alttestamentlichen Propheten vertreten.

Für uns als Christinnen und Christen ist das, was Jesus zu den Geboten gesagt hat, der Filter, durch den wir die Gebote betrachten.

Zur Zeit Jesu waren die Gesetze der hebräischen Bibel sehr wichtig, weil sie den Juden dazu dienten, ihre Identität gegenüber der römischen Besatzungsmacht zu wahren. Zum Beispiel lehnte man Sportplätze und unbekleidete Teilnahme an Sportwettkämpfen entschieden ab.

In diesem Ringen nach kultureller und religiöser Identität wurde Jesus wurde oft nach seiner Stellung zum Gesetz befragt. Jesus hielt einerseits fest: Kein Jota (der kleinste Buchstabe) vom Gesetz ist außer Kraft gesetzt durch mich. Zugleich hat Jesus auch Gesetze verschärft. Töten beginnt, wo du schlecht über deinen Bruder redest.

Aber andererseits verhält sich Jesus sehr frei gegenüber den Gesetzen: Jesus heilt Menschen mit abgestorbener Hand. Den hätte er auch tags drauf heilen können. Aber es gibt Situationen wo Jesus um der Menschen willen über Gebote hinausgeht.

Die oft formulierte Gleichsetzung des Alten Testaments mit „Gesetz“, des Neuen Testaments aber mit „Liebe“ ist falsch, denn „Liebe deinen Nächsten“ steht schon im AT. Aber Jesus bezeichnet das ganz bewusst als Zusammenfassung aller Gebote (zusammen mit dem anderen Gebot „Du sollst Gott den Herrn lieben!“) Ähnlich große Bedeutung hat für Jesus die „Goldene Regel“: Verhalte dich zu deinem Nächsten so, wie du willst, dass sie dir tun!

Nächstenliebe braucht aber auch Konkretion. Aus Nächstenliebe allein kann man kein Wirtschaftsleben gestalten.

Der Kirchenvater Augustin formulierte: „Ama et fac quod vis“: (Liebe und tu, was du willst.) Damit haben Christen eine große Verantwortung.

Es gibt Christen, die sagen: Wir leben nach der Bibel. Sie meinen, sie erfüllen alles, was in der Bibel steht. Es gibt auch einen Bibelstelle, die sagt: Das Weib soll sein Haar bedecken (Paulus)

Solche biblischen Anweisungen sind nach ihrem Zusammenhang zu beurteilen und nicht wörtlich in eine andere Zeit und Gesellschaft übertragbar. Paulus hatte die Tendenz Rücksicht zu nehmen, um die christliche Gemeinde nicht in ein schlechtes Licht in ihrer Umwelt zu bringen.

Rückfrage aus dem Teilnehmerkreis: Kann Paulus Gebote festlegen?

Paulus ist Teil des NT und gehört zu unserer Offenbarung. Paulus ist kein Prophet, sondern Apostel (Apostel sind Leute, die von Jesus selbst gesendet wurden.) und Gemeindegründer. Gott hat aber nicht nur durch Propheten gesprochen hat. Gott will durch das Wort der Bibel zu uns heute sprechen. Aussagen von Paulus müssen aber an dem Gesamtzusammenhang der Bibel gemessen werden. Dabei gilt Christus als Mitte der Schrift.

Oft wird die evangelische Kirche als freier und weniger gesetzlich gegenüber der katholischen gesehen. Stimmt das?

Der Grund für diesen Eindruck liegt in der Geschichte der Entstehung der evangelischen Kirche.

Martin Luther lebte in einer Zeit, in der Menschen in großer Angst lebten: Angst vor Pest, Krankheit, Krieg. Oft wurde dem Menschen gepredigt: Alles Schlimme ist Strafe Gottes; ihr müsst Gutes tun, sonst kommt ihr in die Hölle. Dem setzte Martin Luther entgegen: Damit Gott uns gnädig ist, brauchen wir nicht mehr als darauf zu vertrauen, dass Gott uns gnädig ist. Wenn wir von der Angst befreit sind, dann werden wir viel freier sein, unsere tägliches Leben anzusehen und zu sehen, was da nötig ist und was nicht. Freiheit ist nicht Freiheit von sondern Freiheit zu …

Luther: „Der Christenmensch ist ein freier Herr und niemandem untertan. Der Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan.“ Aus der Freiheit folgt, dass ich bereit bin, Jesus zu folgen und den Menschen dienstbar zu sein.

Diesen Zusammenhang nennen wir „Rechtfertigung und Heiligung.“

Auch für Evangelische ist es wichtig, nach Gottes willen zu leben, aber es kommt mehr auf die persönliche Verantwortung der Einzelnen an statt auf das Befolgen konkreter Vorschriften.

In der gegenwärtigen weltweiten Diskussion haben sich in kirchlichen Kreisen haben sich drei Stichworte etabliert: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Diese sind Leitbegriffe geworden, die sich im politischen wie im persönlichen Umfeld immer wieder durchbuchstabieren lassen müssen. So zeigt sich Leben nach Gottes Gesetz in diesen Leitzielen Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

Eine wichtige Leitlinie für das Handeln aus christlicher Verantwortung formulierte ein Kirchenführer aus der bekennenden Kirche im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Martin Niemöller: „Was würde Jesus dazu sagen?“

Aus dem anschließenden Gespräch

Handeln aus Verantwortung

Auch im Islam gibt es die Unterscheidung zwischen den „Herzhandlungen“ und anderen. Auch im Islam sind die Herzhandlungen wichtig.

Ganz sicher falsch ist, dass man scharfe Strafen auf Frauen anwendet, auf Männer hingegen nicht; Das ist totaler Unsinn und hat keine Grundlage im Islam.

Gibt es im Islam auch den Aspekt persönlicher innerer Verantwortung? Wo ein Mensch glaubt, verändern sich automatisch Normen – wenn einer eine persönliche Gottesbeziehung hat.

Wenn wir über Scharia sprechen, bleibt die persönliche Verantwortung im Hintergrund. Es gibt große Bereiche im Islam (zum Beispiel der Sufismus), die sich mit der persönlichen Verantwortung aus dem Glauben heraus auseinandersetzen. Die Klassifizierung von Handlungen ist nur ein kleiner Teil der moralischen Diskussion im Islam.

Nach islamischen Verständnis soll man für die Armen spenden. Man kann es öffentlich tun, aber auch unauffällig und so, dass die Rechte gibt, ohne dass die Linke es mitbekommt. Auch beim Gebet ist deutlich: Das Gebet ist eine Pflicht, aber keiner kann nachweisen, ob ich gebetet habe oder nicht. Insofern ist die persönliche Frömmigkeit sehr wichtig im Islam.

Wenn ich Fehler gemacht habe, muss ich versuchen diese wieder gut zu machen und um Vergebung bitten. Menschen begehen Fehler. Das ist klar. Aber die besten Menschen sind die, die um Vergebung bitten.

Fünf Zielsetzungen der Scharia

  • Scharia soll Religion bewahren.
  • Sie soll das zeitliche Leben bewahren.
  • Sie soll das Vermögen bewahren.
  • Sie soll die Würde des Einzelnen bewahren.
  • Sie soll den Verstand bewahren, Meinungsfreiheit bewahren.

Wenn eines der Ziele durch ein einzelnes Gebot verletzt würde, wäre ein Verstoß gegen dieses Gesetz möglich.

Zur Frage drakonischer Strafen im Islam

Was ist, wenn man ein Verbot bricht? Wer legt das Strafmaß fest?

Für die meisten Verletzungen der Scharia gibt es kein Strafmaß, sondern die Strafe obliegt allein Gott. Nur wenige Straftaten sind im Koran mit Strafmaß geregelt, zum Beispiel Auspeitschen für öffentlichen Alkoholgenuss oder Ehebruch. Dabei sind auch Regelungen zum Schutz der Straftäter sehr strikt: Alle Maßnahmen dürfen nur bei ausreichender Bezeugung der Tat getroffen werden. Etwa bei Ehebruch ist die Voraussetzung zu Bestrafung, dass vier Leute den Ehebruch mit eigenen Augen gesehen haben müssen.

Das zeigt: Strafmaß dient mehr der Abschreckung. Zur Zeit einer Hungersnot wurde diese Strafe ausgesetzt.

Andererseits: Wir sollen auch nicht meinen, wir seien barmherziger als Gott. Es gibt im islamischen Recht sehr harte Strafen, die vor allem der Abschreckung dienen.

Kontextualität der Auslegung

Die Auslegung der Scharia ist abhängig von Ort und Zeit.

Der Gründer der Rechtsschule der Schafiten lebte erst im Irak, später in Ägypten. Durch Änderung des Ortes revidierte er viele seiner vorherigen Aussagen.

Erbschaftsrecht: Der Mann bekommt doppelt so viel wie die Frau.

Soll man diese Regelung anwenden oder nicht?

Im islamischen Kontext hat der Mann Geld auszugeben, er ist für die Versorgung der Familie zuständig. Die Unterscheidung, wer wie viel erbt, ist ja nur sinnvoll, wenn der Mann auch mehr Ausgaben hat. Sonst ist die Anwendung dieser Regelung nicht sinnvoll.

Ist der Koran selbst auf Arabien zugeschnitten? Wäre der Koran anders, wenn er anderswo offenbart worden wäre?

Muslime glauben fest:

Das ist das Wort Gottes, das ist nicht Ausdrucksart Mohammeds, sondern ein Engel hat wortwörtlich die Sprache und Formulierung von Allah offenbart. Und das ist der Koran. Die Sunna mag bezogen sein auf die jeweilige Kultur. Aber der Koran ist in dieser Wortwahl so gewählt. Also hat Allah nur das eindeutig festgelegt, von dem Allah wollte, dass es für die gesamte Menschheit gilt.

So gibt es manchmal Präzisierungen, aber in manchem hat Allah den Menschen die Freiheit gelassen, das System auszuwählen. Obwohl das Thema nach dem politischen System wichtiger ist als Fragen der Erbschaft, die im Koran sehr detailliert geregelt sind, hat Allah bei der Wahl des politischen Systems Freiheit gelassen.

Schweinefleisch zu essen ist nicht nur verboten, weil es in Arabien zu warm war, sondern weil Gott es geboten hat.


Der Stellenwert der Gesetzesregelungen im Koran

Wenn man alle Verse des Koran betrachtet, stellt man fest, dass nur 8 % des Korans Gebote enthalten,

24 % sprechen über das Leben nach dem Tod, 1500 Verse enthalten Aussagen über Wissenschaft. Die wissenschaftlichen Aussagen des Korans sind für einen der Teilnehmer besonders wichtig.